Kategorie-Archiv: Sexualität

Austausch und Förderpreis statt Tabu und Leugnen

Scham und Sexualität – Gespräche über zwei Tabus  

von Alexandra Klein. Kommunikationspsychologin und Referentin für sexuelle Bildung im calaidoskop

Mein Studium zur Kommunikationspsychologin beendete ich mit meiner Bachelorarbeit zum Thema „Ressource statt Einschränkung? – Vom Umgang mit sexueller Scham in Liebesbeziehungen“.

Während meines Praktikums im calaidoskop führte ich dazu mit Freiwilligen zwei Gruppendiskussionen und einen Workshop durch – den Beitrag dazu von 2022 lesen Sie hier.

Was mich interessierte: Wie mit sexueller Scham umgehen, ohne sie zu leugnen oder zu unterdrücken?

Ich freue mich, nun als Referentin für sexuelle Bildung in unserem Team von den Ergebnissen zu berichten.

Gemeinsam mit den sechs Teilnehmerinnen wollte ich herausfinden:

… worin der positive Nutzen von sexueller Scham in Liebesbeziehungen besteht,
… wie es gelingen kann, einen gesunden Umgang mit der Scham zu finden und
… inwiefern die Teilnahme an dem dazugehörigen Workshop nützlich ist.

1. Nutzen sexueller Scham

Sexuelle Scham hilft uns dabei, unsere eigenen Grenzen zu erkennen. Wenn wir auf sie hören, kann sie uns dazu veranlassen, mit unseren Sexualpartner*innen über Sexualität und Scham zu sprechen und damit einen Raum für Kommunikation öffnen. Dadurch können wir uns unseren Partner*innen noch näher fühlen und unsere Bindung stärken. Gleichzeitig kann eine gewisse Portion Scham für sexuelle Spannung sorgen.

2. Strategien im Umgang mit sexueller Scham in Liebesbeziehungen

Eher ungesunde Strategien:

  • Scham unterdrücken, ignorieren, überspielen
  • sich zurückziehen

Gesunde Strategien::

  • Scham wahrnehmen und als solche identifizieren
  • einen kühlen Kopf bekommen, Unwohlsein und Scham ansprechen und ggf. Sex unterbrechen
  • sexuelle Scham akzeptieren und als menschlich begreifen
  • Erfahrungsaustausch
  • sich selbst reflektieren, z.B. wo kommt die Scham her, wie nehme ich sie wahr, was will sie mir mitteilen?
  • über die gegenseitigen Erwartungen an Sexualität mit den Partner*innen sprechen – was brauchst du – was brauche ich? Wie stellen wir uns unsere gemeinsame Sexualität vor?
  • eigene sexuelle Bedürfnisse erkunden (z.B. mithilfe von Selbstbefriedigung) sowie dafür einstehen
  • über Begriffe (z.B. für Praktiken oder Genitalien) sprechen

3. Nutzen des Workshops

Die Teilnehmerinnen nahmen sich aus dem Workshop Folgendes mit:

  • Sexuelle Scham darf sein.
  • Ich darf über sexuelle Scham sprechen.
  • Es ist nützlich, die eigenen sexuellen Glaubenssätze zu reflektieren.
  • Wir alle sollten offener über Sexualität und Scham sprechen.
  • Hilfreich bei alledem: „Ehrliche Kommunikation als Geschenk betrachten“ (Zitat einer Teilnehmerin)

Die Untersuchung im Rahmen meiner Bachelorarbeit stellt keineswegs allgemeingültige Aussagen zur Verfügung. Das liegt u.a. an der Homogenität der Teilnehmerinnen (junge Erwachsene zwischen 22 und 27 Jahren) sowie an der Gruppengröße von 6 Personen. Sie kann jedoch als Basis für vertiefende Forschung zum Thema dienen. Zum Beispiel um herauszufinden, …

… inwiefern die Ergebnisse auf Menschen anderen Geschlechts, Genders oder Alters zutreffen.
… ob ein Unterschied zwischen sexueller Scham in monogamen Liebesbeziehungen oder offenen Beziehungen besteht.
… welche Rolle Scham in One-Night-Stands spielt.
Außerdem können die Ergebnisse den Austausch zu Sexualität und Scham anregen – um beide Tabus ein Stück aufzubrechen.

Das Ziel dieser Untersuchung sowie meiner Arbeit im calaidoskop ist und bleibt, Menschen dabei zu unterstützen, sich mit sich und ihrer individuellen Sexualität wohlzufühlen.

Zur Ehrung meiner Abschlussarbeit erhielt ich im Oktober 2023 den Preis für hervorragende Studienleistungen durch den Förderverein der Hochschule Zittau/Görlitz und durfte auf unserer Exmatrikulationsfeier die Abschlussrede halten.

Als Referentin für sexuelle Bildung im calaidoskop habe ich das Glück, mein Wissen und meine Begeisterung für sexuelle Bildung an Kinder, Jugendliche und Fachkräfte im sozialen Bereich sowie an Eltern weiterzugeben. Dazu arbeite ich im Rahmen von Workshops, Teamtagen, Weiterbildungen oder Informationsabenden mit diesen Zielgruppen zu Themen wie kindlicher Sexualität, Jugendsexualität, Kinderschutz, Schutzkonzepte sowie Sexualität und sogenannte Behinderung.

Eine Übersicht über unsere aktuellen Seminare und Weiterbildungen finden Sie unter unserer Rubrik Bildung. Über unsere Weiterbildungsthemen können Sie sich in unserem Themenkatalog informieren.